Mordverurteilung nach 50 Jahren
Der Täter war damals Oberleutnant und erschoss am 29.03.1974 einen 38-jährigen Polen im Auftrag der Stasi aus dem Hinterhalt und einer kurzen Entfernung von nur wenigen Metern. Das Opfer hatte offensichtlich zuvor in der polnischen Botschaft versucht, seine Ausreise nach Westberlin mit einer Bombenattrappe zu ermöglichen. Das Ministerium für Staatssicherheit hat daraufhin eine Ausreiseerlaubnis fingiert und das Opfer in eine Falle gelockt. Stasi-Mitarbeiter haben den Polen zum Bahnhof in der Friedrichstraße begleitet. Am dortigen DDR-Grenzübergang hat der Täter dann das Opfer erschossen.
Das Gericht hat diese Tat als Mord gewertet. Das Opfer sei heimtückisch getötet worden. Nachdem der Pole zwei von drei Kontrollstellen unbehelligt passieren konnte, habe er mit weiterem Eingreifen der Grenztruppen nicht mehr gerechnet und sei arglos von hinten erschossen worden.
Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte 12 Jahre Haft wegen heimtückischen Mordes beantragt, die Verteidigerin des Oberleutnants hat auf Freispruch plädiert. Der Leutnant habe Befehle befolgt und im Sinne seiner Vorgesetzten gehandelt. Die Ausreise von Bürgern der DDR sei damals um jeden Preis zu verhindern gewesen. Auch wenn der Angeklagte am Ende der Befehlskette stand, ging das Gericht von dessen Strafbarkeit aus. Das heute geltende Recht sieht für Mord zwar eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Das Gericht hingegen orientierte sich an dem damals geltenden Strafgesetzbuch der DDR. Die Strafhöhe von 10 Jahren war das mildeste damals gültige Recht. Der Täter konnte erst durch das Stasi-Unterlagen-Archiv im Jahre 2016 ermittelt werden. Aus diesem Grunde konnte die Tat erst jetzt abgeurteilt werden. Die Strafbarkeit wegen Mordes unterliegt nicht der Verjährung.