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Neuerungen im Familienrecht 2024

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat im Januar 2024 seine Pläne für die Neuerungen im Familienrecht vorgestellt. Geplant sind grundlegende Änderungen im Sorgerecht, im Umgangsrecht, im Abstammungsrecht und auch bei der Stärkung der Rechte lesbischer Mütter sowie leiblicher Väter.

Ausweitungen des Sorgerechtes

Das Sorgerecht bezeichnet das Recht und auch die Pflicht der Eltern, für die Belange minderjähriger Kinder zu sorgen. In Zukunft sollen die Eltern mehr Gestaltungsmöglichkeit erhalten. Sofern es dem Kindeswohl nicht widerspricht, soll unter Mitwirkung des Jugendamtes die Alleinsorge eines Elternteils vereinbart werden können. Dies gibt den Eltern mehr Autonomie, da sie schließlich selbst am besten beurteilen können, welche Sorgerechtsregelung im jeweiligen Einzelfall die beste ist.
Geplant ist weiterhin eine Ausweitung der Regelung des § 1687 b BGB. Danach ist der Ehegatte eines allein sorgeberechtigten Elternteils, der nicht Elternteil des Kindes ist, zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes befugt. Zukünftig soll es möglich sein, dass die sorgeberechtigten Personen durch Vereinbarung bis zu 2 weiteren Personen sorge rechtliche Befugnisse einräumen können. Damit kann auch der jeweils neue Partner in Patchwork- und Regenbogenfamilien Entscheidungsbefugnisse übernehmen. Eine solche Vereinbarung soll bereits vor der Empfängnis abgeschlossen werden können.

Gesetzliche Verankerung des Wechselmodells

Bisher ist gesetzliche Regelung das sogenannte klassische Residenzmodell, wonach gemeinsame Kinder nach einer Trennung bei einem Elternteil wohnen und der andere Elternteil jeweils Umgangsrechte wahrnimmt. Dieses klassische Modell soll nicht mehr zeitgemäß sein. In vielen Familien wird bereits das Wechselmodell praktiziert, wonach des Kind/die Kinder z. B. eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater leben, denkbar sind hier auch andere zeitliche Gestaltungen, bei denen ein schnellerer Wechsel der Kinder von dem einen in den anderen Haushalt erfolgt. Dieses Wechselmodell soll nunmehr rechtlich geregelt werden. Das Familiengericht kann eine Betreuung durch beide Elternteile im Wechselmodell anordnen und die zeitliche Aufteilung der Betreuung des Kindes vorgeben. Denkbar ist dabei ein sogenanntes symmetrisches Wechselmodell, wonach die Anteile der Betreuung „mathematisch exakt“ aufgeteilt werden. Möglich soll auch ein asymmetrisches Wechselmodell sein. In diesem Fall hat einer der Elternteile geringere Betreuungsanteile. Angesichts der Tatsache, dass solche Wechselmodelle bereits vielfach praktiziert werden, scheint die gesetzliche Regelung überfällig.
Keine Diskriminierung lesbischer Mütter mehr
Das Abstammungsrecht soll dahingehend reformiert werden, dass in Zukunft die Partnerin einer Frau, die ein Kind geboren hat, ebenfalls Mutter des Kindes werden kann, ohne das Kind zuvor adoptieren zu müssen. Hier soll das Gleiche gelten wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren für den Partner der Mutter.

Stärkung der Rechte leiblicher Väter

Das Ministerium plant eine Neuerung, wonach für die Dauer eines Verfahrens, in dessen Rahmen ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können soll.
Wer der Auffassung ist, leiblicher Vater eines Kindes zu sein, soll die Vaterschaft eines an-deren Mannes künftig auch dann anfechten können, wenn dieser eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat. Anders als derzeit soll eine solche Beziehung die Anfechtung nicht grundsätzlich ausschließen. Ein Gericht soll in einem solchen Fall im Einzelfall prüfen, ob das Interesse an der Anfechtung der Vaterschaft das Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Vaterschaft überwiegt.
Auch Kinder können zukünftig einfacher ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung verwirklichen. Es soll ein spezielles gerichtliches Feststellungsverfahren eingeführt werden. Das Kind kann dort über einen Gerichtsbeschluss feststellen lassen, ob eine bestimmte Person sein/ihr leiblicher Vater ist.
Besserer Schutz von Kindern vor häuslicher Gewalt
Der Justizminister beabsichtigt, Familiengerichte in Zukunft weitaus stärker darauf zu verpflichten, in Umgangs- und Sorgeverfahren den Schutz vor häuslicher Gewalt sicherzustellen. Sofern sich in einem Verfahren Anhaltspunkte ergeben, soll das Gericht eine besondere Risikoanalyse vornehmen und die Beeinträchtigungen umfassend und systematisch ermitteln. Bei Gewalt gegenüber einem Kind soll ein gemeinsames Sorgerecht künftig nicht mehr in Betracht kommen.

Eigenes Großeltern-Umgangsrecht

Kinder sollen in Zukunft eigene Rechte auf Umgänge mit ihren Großeltern haben, ferner mit Geschwistern und anderen Bezugspersonen, auch mit leiblichen, nicht rechtlichen Elternteilen. Bislang ist im Gesetz nur das eigene Umgangsrecht des Kindes mit den rechtlichen Eltern normiert.
Spiegelbildlich zu den bereits bestehenden Rechten der Großeltern, Geschwister, sozialen Bezugspersonen und des genetischen Vaters auf Umgang mit dem Kind soll jetzt auch das Kind solche Rechte erhalten. Das Gericht wird im Einzelfall zu prüfen haben, ob der Umgang dem Wohl des Kindes dient.

Fazit

Die vorgestellten geplanten umfassenden Änderungen sollen gewährleisten, dass den bereits im täglichen Leben praktizierten Gewohnheiten auch eine rechtliche Grundlage verschafft wird.

Bezahlter Kindesumgang

Der 12. Zivilsenat des BGH (AZ: XII ZB 385/23) hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, der das Besuchsrecht für Kinder mit Zugewinnausgleichszahlungen an die Ehefrau ”verquickte“, also in einen festen Zusammenhang gebracht hat.

Die Eheleute hatten zwei gemeinsame Kinder, die Ehegattin ist nach der Trennung mit dem erstgeborenen Kind zurück in ihr nichteuropäisches Heimatland gezogen, dort kam dann das zweite Kind zur Welt. Der Ehemann ist alleine in Deutschland geblieben und musste zur Ausübung des Umgangsrechtes, seine Kinder sehen zu können, in das weit entfernte Ausland reisen.

Anlässlich der nachfolgenden Scheidung haben die Eheleute einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen, wonach der Ehemann zur Abgeltung von Zugewinnausgleichsansprüchen der Ehefrau einen Betrag in Höhe von 60.000,00 € in drei jährlichen Raten zu zahlen hatte. Die Fälligkeit dieser Raten wurde daran geknüpft, dass der Ehemann zuvor mehrere Wochen mit den Kindern in Deutschland verbringen durfte.

Das entscheidende Amtsgericht und auch das Oberlandesgericht München hielten das Zugewinnausgleichsverfahren nach Vergleichsabschluss für beendet. Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des OLG München wieder aufgehoben. Es sei sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB, wenn die Raten erst fällig werden sollen, nachdem der Vater Umgang mit seinen Kindern in Deutschland wahrnehmen konnte.

Wirtschaftliche Interessen der Eltern dürfen nicht dazu führen, dass Kinder zum „Objekt des Handelns“ gemacht werden. Jedenfalls ist eine derartige Vereinbarung dann sittenwidrig, wenn sie keinerlei gerichtliche Kontrolle von Kindeswohlgesichtspunkten zulässt. Die Gewährung eines Umgangsrechtes muss immer eine gerichtliche Kindeswohlprüfung enthalten. Der geschiedenen Gattin quasi eine Vertragsstrafe für den Fall aufzuerlegen, dass sie Umgang nicht bewilligt, ist mit dem Gedanken des Kindeswohls nicht vereinbar.

Pflichtwidrige Unterbringung im Kinderheim

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat im Sommer des vergangenen Jahres ein interessantes Urteil zur (pflichtwidrigen) Unterbringung eines sechsjährigen Jungen im Kinderheim gefällt. Dabei ist die zugrundeliegende Fallkonstellation – Kind wird im schwelenden Sorgerechtsstreitverfahren fremduntergebracht – gar nicht einmal so selten wie man denken könnte.

Kinder sind zumeist die Leidtragenden in einer streitig geführten Trennung ihrer Eltern. Dabei kommt es immer wieder zu Situationen, in denen die Sorgeberechtigten sich kindeswohlgefährdend verhalten und das Jugendamt „eingreift“. Im vorliegenden Fall ist es zur Überzeugung des Oberlandesgerichts jedoch zu weit gegangen und urteilte, dass die Fremdunterbringung eines Kindes trotz einer Belastung durch den zwischen seinen getrenntlebenden Eltern bestehenden Sorgerechtsstreitigkeiten regelmäßig unverhältnismäßig sei:
Hintergrund der obergerichtlichen Entscheidung war eine Schmerzensgeldklage des Jungen gegen die Stadt wegen seiner Unterbringung in ein Kinderheim. Der seinerzeit sechsjährige Junge lebte bei seiner Mutter und hatte regelmäßigen Umgang mit seinem Vater. Dieser teilte dem Jugendamt unter Vorlage eines Attestes mit, dass das Kind von der Mutter geschlagen worden sei. Daraufhin veranlasste das Jugendamt, dass der Junge in einem Kinderheim untergebracht wurde. Durch Beschluss des Familiengerichts wurde dem Jugendamt das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, welches dann jedoch vier Monate später im Beschlusswege vorläufig ausgesetzt wurde. Der Junge kehrte zunächst zu seiner Mutter zurück. Im Beschwerdeverfahren wurde der Beschluss dann gänzlich aufgehoben und das Sorgerecht auf den Vater übertragen. Seitdem lebt der Junge dort.
In dem Verfahren um Schadensersatz entschied das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. dann im Rahmen des Schadensersatzverfahrens, dass die Stadt als Trägerin des Jugendamtes wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an das Kind 3.000,00 € zu leisten habe.

Zur Begründung:
Auch wenn die anfängliche Inobhutnahme durch das Jugendamt zunächst noch gerechtfertigt gewesen sei, so habe aber die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes pflichtwidrig das ihr übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht nach Ablauf einer kurzen Zeitspanne weiterhin zugunsten einer Fremdunterbringung ausgeübt. Eine solche Fremdunterbringung eines Kindes vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Elternkonfliktes könne aber nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn ein andauernder Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährde. Ausdrücklich heißt es in dem Urteil des OLG Frankfurt a. M. (1 U 6/21): „Die Folgen der Fremdunterbringung dürfen für das Kind nicht gravierender sein als die Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie“.
Man hätte also nach Auffassung des Oberlandesgerichtes nach einer kurzen Übergangszeit erwägen müssen, bis zur endgültigen Entscheidung das Kind vorübergehend bei seinem Vater unterzubringen.

Fazit

Da die ursprüngliche Herausnahme aus der Familie nur als kurzfristige Maßnahme zur Beruhigung der konfliktbehafteten Situation geboten war, hat das betroffene Kind die monatelange Trennung von seinen Eltern als ungerechtfertigte Folge und Belastung empfunden, weil er sich über die Misshandlungen seiner Mutter beschwert hat.