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Verbrühung in der Ferienwohnung

Das Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 25.11.2024, AZ: 9 U 40/23) musste über die Schmerzensgeld- und Schadenersatzklage eines kleinen Mädchens entscheiden, das in einer Ferienwohnung auf einer Nordseeinsel schwere Verbrennungen erlitten hat.

Die Mutter hatte am Morgen nach der Anreise Kaffee zubereitet. Sie transportierte die gefüllte Glaskanne zum Esstisch, als sich der Henkel löste, wodurch sich der heiße Kaffee über das am Tisch sitzende 6-jährige Mädchen ergoss.

Dieses musste per Hubschrauber in eine Klinik verbracht werden und erlitt Verbrennungen zweiten Grades an Armen und Oberkörper. Das Kind wurde 3 Tage stationär behandelt und musste sodann eine ambulante Therapie mit Kompressionsjacke zur Narbenreduktion über sich ergehen lassen. Es werden dauerhafte Narben zurückbleiben.

Die Familie verklagte den Vermieter der Ferienwohnung auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Kaffeekanne sei bereits bei Vertragsschluss beschädigt und unfachgemäß geklebt gewesen. Der Vermieter habe vor Wohnungsübergabe die einzelnen Gegenstände kontrollieren müssen. Der Vermieter bestritt dieses und erklärte, die Kanne sei erst kurz zuvor angeschafft worden und bei der Übergabe der Wohnung in einwandfreiem Zustand gewesen.

Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Kanne. Dieser konnte weder Reparaturspuren noch Klebstoffreste an der Kanne entdecken. Es handele sich um einen typischen Alterungsschaden, der durch aufsteigende Wasserdämpfe verursacht wird. Kunststoffmaterial wird über längere Zeit porös, wodurch kleinste Materialrisse entstehen. Die am Haltehaken hängende Kaffeelast habe den Riss an der Unterseite stetig und unbemerkt vergrößert, bis ein Teil des Hakens schließlich abriss.

Nach Ansicht des Gerichts ist der Vermieter nicht verpflichtet, eine Kaffeekanne, in die sich problemlos Wasser einfüllen lässt, die also gebrauchstauglich ist, auf etwa vorhandene kleinste Beschädigungen an versteckter Stelle hin zu untersuchen.

Das OLG Oldenburg kam zu dem Schluss, dass der Vermieter für diesen Unfall nicht haftet. Ein Verschulden war nicht erkennbar. Für eine verschuldensunabhängige Haftung hätte der Mangel bereits bei Vertragsschluss vorliegen müssen. Auch dies ließ sich nicht nachweisen.

Daraus folgt:

Ein beschädigter Gegenstand in einer Ferienwohnung muss für einen Vermieter bereits bei einer Sichtprüfung erkennbar sein. Für Materialermüdung oder versteckte Mängel haftet der Vermieter grundsätzlich nicht. Die Beweislast für einen schon bei Übergabe bestehenden Mangel trägt der Geschädigte.

Als Gast sollte man vorsorglich eine eigene Sichtprüfung der zu benutzenden Gegenstände vornehmen. Erst wenn der Gast nachweisen kann, dass der Schaden bereits bei der Übergabe vorhanden und auch für den Vermieter erkennbar war, kommt eine Haftung in Betracht. Mängel sollten direkt bei Einzug mit Fotos oder Filmen festgehalten und beim Vermieter unverzüglich gemeldet werden. Ein Schadenhergang sollte protokolliert und die Beweise gesichert werden.

Hochzeit ohne Luftballons

Das Landgericht Köln (Urteil vom 30.04.2024, AZ 13 S 36/22) hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, in dessen Rahmen ein frisch vermähltes Paar vom Hochzeitsfotografen 2.000 € Schmerzensgeld verlangt hat.

Der Fotograf hatte rund 170 Fotos von der Hochzeit angefertigt. Die Eheleute waren mit den Ergebnissen unzufrieden. Es hätten Gruppenfotos gefehlt, ebenso seien die Luftballons, die man habe steigen lassen, nicht sichtbar gewesen. Das Paar war von den Fotos enttäuscht und trug bei Gericht vor, die Hochzeit bleibe für sie für immer negativ behaftet und durch den Streit sei diese „ein Leben lang überschattet“.

Der Streit ging vom Amtsgericht zum Landgericht. Das Landgericht war der Auffassung, dass eine bloße Enttäuschung für die Geltendmachung von Schmerzensgeld – und Schadenersatzansprüchen nicht ausreiche. Die psychische Beeinträchtigung der Eheleute habe keinen  Krankheitswert erreicht. Die Unzufriedenheit sei zwar nachvollziehbar, ein geschütztes Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sei aber nicht verletzt worden.

Nach dieser Vorschrift muss Schadenersatz leisten, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Eine rein seelische Enttäuschung erreicht diese Schwelle nicht, sodass die Eheleute nach Hinweis des Landgerichtes ihre Berufung gegen das zunächst erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichtes zurückgezogen haben.

Wenige Gehminuten zum Strand

Die Klägerin des Verfahrens AG München 242 C 13523/23 hatte mit ihrer Tochter eine Rundreise durch Costa-Rica gebucht. Dazu gehörte ein Aufenthalt von 4 Nächten in einem Boutique-Hotel an der Pazifik-Küste. Dieses Hotel sei im Prospekt beschrieben worden mit „nur wenige Gehminuten von den besten Restaurants und wunderschönen Stränden entfernt“.

An der Rezeption angekommen, wurde der Klägerin mitgeteilt, dass man zum Strand ein Taxi nehmen müsse, dieser läge 25 Gehminuten entfernt.

Die Klägerin hat sich an die lokale Reiseleiterin gewandt und in Abstimmung mit dieser auf eigene Kosten ein Ersatzhotel angemietet. Mit ihrer Klage gegen den Reiseveranstalter machte sie Ersatz der verauslagten Kosten für die Buchung des Ersatzhotels in Höhe von 733,00 Euro geltend. Darüber hinaus Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, eines verlorenen Urlaubstages aufgrund Hotelwechsels in Höhe von 1.062,00 Euro.
Das Amtsgericht München hat den Reiseveranstalter entsprechend verurteilt. Zwar hat dieser behauptet, es sei niemals eine bestimmte Entfernung oder Gehzeit zum Strand zugesichert worden. Tatsächlich sei der Strand in ca. 15 Minuten zu erreichen.

Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt.

Unstreitig hatte der nächstgelegene Strand zum Hotel eine Entfernung von 1,3 km. Eine derartige Entfernung ist in „wenigen Gehminuten“ nicht zurückzulegen. Zum Strand zu rennen, kann nicht verlangt werden. Es müsse ferner berücksichtigt werden, dass die gebuchte Reise im „Hochpreissegment“ angesiedelt sei. Der Reiseveranstalter müsse sich daher an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen. Unter „wenigen Gehminuten“ sei in etwa eine Zeitspanne zu verstehen, die bei normalem Gehtempo 5 Minuten nicht überschreitet.

Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gründete sich in diesem Sachverhalt auf die §§ 651 i Abs. 2, 3 Nr. 2, 7, 651 k, 651 n BGB

Der BGH ändert seine Rechtsprechung zum Schockschaden

Bisher konnten Angehörige eines schwer verletzten oder getöteten Opfers von Straftaten, Verkehrsunfällen oder auch ärztlichen Behandlungsfehlern Schadensersatz (Schmerzensgeld) für die bei ihnen durch die Todesnachricht oder das Miterleben der Tötung des Angehörigen entstandenen psychischen Beeinträchtigungen und Folgen (sog. Schockschaden) nur dann verlangen, wenn diese Beeinträchtigungen Krankheitswert besaßen und über das Maß hinaus gingen, denen Betroffene bei der Verletzung eines Rechtsgutes eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) noch am 21.5.2019 (VI ZR 299/17) entschieden.

Mit Urteil vom 6.12.2022 (VI ZR 168/21) hat der BGH nunmehr unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass dann, wenn die psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar ist, sie also Krankheitswert hat, für die Bejahung einer Weiterlesen