Schlagwortarchiv für: Schadenersatz

Hochzeit ohne Luftballons

Das Landgericht Köln (Urteil vom 30.04.2024, AZ 13 S 36/22) hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, in dessen Rahmen ein frisch vermähltes Paar vom Hochzeitsfotografen 2.000 € Schmerzensgeld verlangt hat.

Der Fotograf hatte rund 170 Fotos von der Hochzeit angefertigt. Die Eheleute waren mit den Ergebnissen unzufrieden. Es hätten Gruppenfotos gefehlt, ebenso seien die Luftballons, die man habe steigen lassen, nicht sichtbar gewesen. Das Paar war von den Fotos enttäuscht und trug bei Gericht vor, die Hochzeit bleibe für sie für immer negativ behaftet und durch den Streit sei diese „ein Leben lang überschattet“.

Der Streit ging vom Amtsgericht zum Landgericht. Das Landgericht war der Auffassung, dass eine bloße Enttäuschung für die Geltendmachung von Schmerzensgeld – und Schadenersatzansprüchen nicht ausreiche. Die psychische Beeinträchtigung der Eheleute habe keinen  Krankheitswert erreicht. Die Unzufriedenheit sei zwar nachvollziehbar, ein geschütztes Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sei aber nicht verletzt worden.

Nach dieser Vorschrift muss Schadenersatz leisten, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Eine rein seelische Enttäuschung erreicht diese Schwelle nicht, sodass die Eheleute nach Hinweis des Landgerichtes ihre Berufung gegen das zunächst erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichtes zurückgezogen haben.

Wenige Gehminuten zum Strand

Die Klägerin des Verfahrens AG München 242 C 13523/23 hatte mit ihrer Tochter eine Rundreise durch Costa-Rica gebucht. Dazu gehörte ein Aufenthalt von 4 Nächten in einem Boutique-Hotel an der Pazifik-Küste. Dieses Hotel sei im Prospekt beschrieben worden mit „nur wenige Gehminuten von den besten Restaurants und wunderschönen Stränden entfernt“.

An der Rezeption angekommen, wurde der Klägerin mitgeteilt, dass man zum Strand ein Taxi nehmen müsse, dieser läge 25 Gehminuten entfernt.

Die Klägerin hat sich an die lokale Reiseleiterin gewandt und in Abstimmung mit dieser auf eigene Kosten ein Ersatzhotel angemietet. Mit ihrer Klage gegen den Reiseveranstalter machte sie Ersatz der verauslagten Kosten für die Buchung des Ersatzhotels in Höhe von 733,00 Euro geltend. Darüber hinaus Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, eines verlorenen Urlaubstages aufgrund Hotelwechsels in Höhe von 1.062,00 Euro.
Das Amtsgericht München hat den Reiseveranstalter entsprechend verurteilt. Zwar hat dieser behauptet, es sei niemals eine bestimmte Entfernung oder Gehzeit zum Strand zugesichert worden. Tatsächlich sei der Strand in ca. 15 Minuten zu erreichen.

Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt.

Unstreitig hatte der nächstgelegene Strand zum Hotel eine Entfernung von 1,3 km. Eine derartige Entfernung ist in „wenigen Gehminuten“ nicht zurückzulegen. Zum Strand zu rennen, kann nicht verlangt werden. Es müsse ferner berücksichtigt werden, dass die gebuchte Reise im „Hochpreissegment“ angesiedelt sei. Der Reiseveranstalter müsse sich daher an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen. Unter „wenigen Gehminuten“ sei in etwa eine Zeitspanne zu verstehen, die bei normalem Gehtempo 5 Minuten nicht überschreitet.

Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gründete sich in diesem Sachverhalt auf die §§ 651 i Abs. 2, 3 Nr. 2, 7, 651 k, 651 n BGB

Der BGH ändert seine Rechtsprechung zum Schockschaden

Bisher konnten Angehörige eines schwer verletzten oder getöteten Opfers von Straftaten, Verkehrsunfällen oder auch ärztlichen Behandlungsfehlern Schadensersatz (Schmerzensgeld) für die bei ihnen durch die Todesnachricht oder das Miterleben der Tötung des Angehörigen entstandenen psychischen Beeinträchtigungen und Folgen (sog. Schockschaden) nur dann verlangen, wenn diese Beeinträchtigungen Krankheitswert besaßen und über das Maß hinaus gingen, denen Betroffene bei der Verletzung eines Rechtsgutes eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) noch am 21.5.2019 (VI ZR 299/17) entschieden.

Mit Urteil vom 6.12.2022 (VI ZR 168/21) hat der BGH nunmehr unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass dann, wenn die psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar ist, sie also Krankheitswert hat, für die Bejahung einer Weiterlesen